Halbzeit im Projekt SerWiss

Aktueller Stand in den Teilpaketen „Wissenszentrierte Arbeitsgestaltung“ und „Digitale Werkzeuge“

Nach 18 Monaten umfangreicher Analysen der IST-Situation bei den Anwendungspartnern von SerWiss – zwei mittelständische Anlagen- und Maschinenbauer – und intensiven Gesprächen mit Mitarbeiter*innen in den Bereichen Service, Konstruktion, Entwicklung, Montage, Dokumentation, IT und Prozessmanagement wurde deutlich, dass die vorhandene, branchentypische IT-Infrastruktur für ein adäquates Wissensmanagement und die Datenerfassung nicht so genutzt werden kann, wie es für eine softwaregestütze Umsetzung der geplanten Ziele im Projekt SerWiss nötig wäre. Damit Fach- und Erfahrungswissen für Serviceleistungen vollständig und in strukturierter Form zur Verfügung gestellt werden können, muss in den Service-Prozessen sichergestellt sein, dass bereits bestehendes, aber auch neues, im Service-Einsatz gewonnenes, Wissen für zukünftige Einsätze verfügbar gemacht wird.

Bisher dienen das ERP-System sowie meist Excel-Listen zur Speicherung relevanter Informationen. Serviceberichte werden händisch ausgefüllt und anschließend als eingescanntes Dokument abgespeichert. Somit sind für die Service-Arbeit wichtige Wissenselemente nicht nur in unterschiedlichen Software-Systemen vorhanden, sondern auch unübersichtlich und schwer auffindbar in lokalen Ordnerstrukturen abgelegt. Diese Art von Wissens- bzw. Dokumentenmanagement kann als branchentypisch bezeichnet werden. Innerhalb des Projekts war es daher nötig, eine ganzheitliche Digitalisierungsstrategie in Bezug auf den Serviceprozess zu entwickeln, angepasst an die besonderen Herausforderungen bei KMU. Dabei soll auch die Interaktion mit Kunden berücksichtigt werden, indem die Möglichkeit zur Nutzung einer gemeinsamen Maschinenakte und Wissensdatenbank geschaffen wird. 

Auswahl einer Software für KCS-nahes Wissensmanagement

Als Experte für Wissensmanagement und insbesondere der KCS (Knowledge-Centred-Service)-Methode wurde vom Entwicklungspartner pro-accessio eine Marktanalyse zu Wissensmanagement-Systemen durchgeführt. Nach Bewertung der Ergebnisliste bestehend aus 40 Anbietern sollten passend zur Wissensmanagement-Methodik KCS-verified/aligned oder KCS-nahe Anbieter in Betracht gezogen werden. In Bezug auf Preis-Leistung, Funktionalität und branchenspezifische Anforderungen stach eine Informations-Management-Software heraus, die für den Kontext von SerWiss besonders geeignet scheint. Diese Software ist zwar KCS-nah, allerdings nicht offiziell KCS-zertifiziert.

Die Software für Wissensmanagement bietet Funktionen, wie zum Beispiel eine intelligente Suche, eine geführte Fehlerdiagnose, einen strukturierten Wissenstransfer und eine Service-App, die auch mobil und offline Zugang zu benötigten Informationen ermöglicht. Es handelt sich um eine Cloud-basierte Lösung, die alle relevanten Informationen bündelt und zentral zur Verfügung stellt. Dies ist aus mehreren Gründen für die Anwendungspartner von SerWiss attraktiv:

  • Wissensartikel müssen nicht erst aufwändig in der Plattform der Software neu erstellt werden, um sie dauerhaft verfügbar zu machen. Durch definierte Pfade können von lokalen Servern der Anwendungspartner bereits existierende Dokumente verknüpft werden. Dadurch können beispielsweise große Mengen bestehender PDF-Dokumente oder Excel-Listen als Wissensartikel in die Wissensdatenbank der Software übernommen werden. Sollten verknüpfte Dokumente verändert werden, so erfolgt durch die Software eine automatische Aktualisierung innerhalb der Datenbank.
  • Die erfassten Dokumente sind alle per Stichwortsuche durchsuchbar. Man kann daher von einer Suchmaschine für sämtliche verknüpfte Unternehmensdaten sprechen.
  • Langfristig kann die Wissensdatenbank auch Kunden zur Verfügung gestellt werden. Es können individuelle Benutzerrechte und Zugriffe gewährt werden.


Hybrider Wissensmanagement – Ansatz aus KCS und Intelligent Swarming

Während der Assessment Center bei den Anwendungspartnern wurde deutlich, dass rein der KCS-Ansatz als Methodik für Wissensmanagement im Umfeld des Anlagen- und Sondermaschinenbaus nach derzeitigem Stand unzureichend ist. pro-accessio empfiehlt daher einen hybriden Ansatz für Wissensmanagement, bestehend aus KCS und Intelligent Swarming. Intelligent Swarming ist nahe an der aktuellen Unternehmenskultur der Anwendungspartner und fördert dennoch den dynamischen Wissenstransfer. Im Zuge der Diskussion um Intelligent Swarming ergab sich der Bedarf, auch hierfür ein Softwaretool näher zu betrachten.

Eine Swarming-typische Software stellt einen Chat-Bot zur Verfügung, der Mitarbeiter*innen und Kolleg*innen mit dem relevantesten Wissen zusammenführt. Als Basis arbeitet das Tool mit Mitarbeiter*innen-Profilen, die stetig auf dem aktuellsten Stand gehalten werden und denen bestimmtes Fachwissen zugeordnet wird. Dieses Fachwissen ermittelt der Algorithmus aus der Autorenschaft diverser (PDF-)Dokumente, die in einem definierten Dokumentenpool der Software zur Verfügung gestellt werden. Nach Eingabe eines Suchbegriffs liefert der Chat-Bot mögliche Dokumente, die zur Lösung beitragen könnten. Zeitgleich schlägt er Kolleg*innen mit dem relevantesten Fachwissen zur Kontaktaufnahme vor. Hauptaugenmerk der Software liegt somit im Zusammenführen von Mitarbeiter*innen.

In der Diskussion mit den Anwendungspartnern wurde deutlich, dass aufgrund der Unternehmensgröße der Personenkreis mit relevantem Fachwissen überschaubar ist. Der Austausch innerhalb der Belegschaft ist hinreichend, dass alle Mitarbeiter*innen gut über das Fachwissen und die Qualifikation Anderer Bescheid wissen. Dass für ein Problem besonders geeignete Kolleg*innen gezielt angesprochen werden, ist bereits jetzt in den Arbeitsalltag integriert. Folglich sind sich die Anwendungspartner einig, dass keine separate Software benötigt wird, welches vollautomatisches Matching zwischen Kolleg*innen organisiert. Obgleich ein Swarming-Tool in großen Unternehmen seine Daseinsberechtigung hat, wäre diese Software für den Einsatz in KMU überdimensioniert. Die Intelligent Swarming Methodik an sich wird jedoch im Projektverlauf weiterhin als Kollaborations-Methode relevant bleiben.

Digitales Field Service Management als Fundament für den modernen Serviceprozess

Zusätzlich zur Software für Wissensmanagement konnte bei den Anwendungspartnern ein Bedarf an grundsätzlicher Digitalisierung und Strukturierung des Serviceprozesses festgestellt werden. Im Rahmen eines Projekttreffens wurde daher eine Field Service Management (FSM) Software genauer betrachtet. Die meisten Software-Anbieter dieser Art legen ihren Fokus auf drei verschiedene Anwendungsbereiche:

Bereich 1 ermöglicht einen effizienten, digitalisierten Serviceprozess innerhalb des Unternehmens (Helpdesk, Backoffice, Serviceinnendienst);

Bereich 2 zielt auf die Einsatzplanung und den mobilen Serviceaußendienst ab;

Bereich 3 dient Kunden und Partnern als digitale Anlaufstelle.

Besonders positiv fallen das Anfragenmanagement, die Maschinen- und Anlagendatenverwaltung sowie sämtliche Funktionen im Bereich Field Service, wie zum Beispiel die Auftrags- und Formularverwaltung auf:

  • Eine FSM-Software ermöglicht es, den gesamten Serviceprozess zu digitalisieren – von der Anfrage bis zur Lösung des Servicefalls. Dabei wird jeder Servicefall der Maschinenakte zugeführt, sodass die Historie der Maschine stets auf dem aktuellsten Stand bleibt.
  • Es können Kunden-Accounts für ein Serviceportal zur Verfügung gestellt werden. Im Portal sind sämtliche Maschinen des Kunden angelegt. Je nach Bedarf können die Maschinenakten geteilt oder gemeinsam mit dem Kunden gepflegt werden. Serviceanfragen können Kunden über das Portal selbst einstellen. Dabei besteht die Möglichkeit bereits beim Erstkontakt wichtige Informationen oder Dokumente mitgesendet werden.
  • Im weiteren Verlauf eines Servicefalls kann der Einsatz mit der Software geplant werden. Der Lösungsraum umfasst die Disposition von beispielsweise Personen, Ersatzteilen, benötigtem Werkzeug und Firmenwagen.
  • Auf Basis der Vorbereitung des Servicefalls besteht die Möglichkeit, den Servicebericht mittels Checkboxen schnell und einfach zu erstellen. Felder für Freitexte können mittels Sprachsteuerung ausgefüllt werden, ebenso ist es möglich die Einsatz- und Arbeitszeiten der Servicetechniker*innen zu erfassen. Dadurch kann bereits beim Kunden eine digitale Version des Serviceberichts fertiggestellt und vom Kunden direkt auf dem Tablet unterzeichnet werden. Händisch ausgefüllte Arbeitsnachweise werden nicht mehr benötigt, stattdessen wird der unterzeichnete Servicebericht automatisch per Mail an den Kunden und an weitere relevante Stellen, wie zum Beispiel die Buchhaltung gesendet.

Für den Bereich Wissensmanagement wird jedoch deutlich, dass eine FSM-Software allein häufig nicht ausreichend Funktionen bietet. Eine Kombination mit einer vorher beschriebenen Wissensmanagement-Software ist daher ratsam. Im weiteren Projektverlauf sollen zusätzliche  Recherchen stattfinden, wie das Wissensmanagement eventuell durch noch einfachere und kostengünstigere Cloud-Lösung insbesondere für kleine Unternehmen selbst zu organisieren ist.

Der neue digitale Lösungsansatz von TeamViewer für Wissenserfassung

Nach Betrachtung der verschiedenen Wissensmanagement- und FSM-Tools wird jedoch abermals deutlich, dass es bisher keine optimale Lösung zur Erfassung von Wissen gibt, die die besonderen Rahmenbedingungen von Serviceeinsätzen im Anlagen- und Maschinenbau berücksichtigt. An dieser Stelle setzt die im Rahmen von SerWiss entstehende Entwicklung von TeamViewer an, die es Servicetechniker*innen in Zukunft ermöglichen soll, Wissen „in-the-workflow“ zu erfassen. Dafür wird im Projekt SerWiss zwischen dem Servicebericht für den Kunden und dem Montagebericht für interne Zwecke unterschieden. Der Servicebericht legt den Fokus auf die Erfassung der Arbeitszeit, verbaute Ersatzteile und die für den Kunden nachvollziehbare Beschreibung der erbrachten Leistungen. Nahezu alle FSM-Systeme bieten hierzu umfangreiche Lösungen. Der Montagebericht, aufgegriffen von TeamViewer, muss dagegen als Wissenselement für die interne Wissensdatenbank ausführlicher ausfallen. Zudem wurde in Gesprächen deutlich, dass jederzeit eine Kombination des Berichts mit Foto- oder Videomaterial möglich sein muss, um komplexe technische Situationen erfassen zu können. Außerdem sollte der Bericht mittels Speech-to-Text erstellbar sein. Als favorisiertes Endgerät steht eine digitale Datenbrille im Mittelpunkt. Der Funktionsumfang der Datenbrille ermöglicht es den Techniker*innen während der Arbeit, mit beiden Händen in der Maschine, ganze Berichte oder auch nur einzelne Wissenselemente zu erstellen. Die Erfassung von Wissen unmittelbar am Ort des Geschehens erspart den Techniker*innen eine aufwändige Nachbereitung und verhindert, dass wichtige Details im Nachgang verloren gehen. Eine geeignete Bereitstellung der Montageberichte in einer Wissensmanagement-Software kann bei zukünftigen Serviceeinsätzen helfen und deren Durchlaufzeit verkürzen.

Während TeamViewer im weiteren Projektverlauf die Entwicklung des digitalen Montageberichts mittels Datenbrille weiter vorantreibt, werden bei den Anwendungspartnern die Einführung unterstützender Software-Systeme vorbereitet. Gleichzeitig wird mithilfe von pro-accessio der hybride Wissensmanagenement-Ansatz bestehend aus KCS und Intelligent Swarming passend für den Anlagen- und Maschinenbau weiter ausgearbeitet. Unterstützt werden die Partner*innen bei praxisrelevanten Themen von der HTWG Konstanz sowie von der Ruhr-Universität Bochum, die begleitend attraktive Geschäftsmodellmuster zur Vermarktung von Service-Wissen entwickelt.